Eines Nachts wird Anton von einem seltsamen Geräusch aufgeweckt. Irgendetwas ist vor seinem Fenster. Er hört ein Kratzen. Anton zieht sich ängstlich seine Bettdecke über die Nasenspitze und lugt zum Zimmerfenster. Große gelbe Augen starren ihn eindringlich an. Anton zittert wie Espenlaub. Das muss ein Monster sein, denkt er und umklammert seine Bettdecke. Ein Monster mit fiesen leuchtenden Augen, einem riesigen runden Kopf und großen Ohren. „Buoh, buoh, buoh“, ruft das Monster plötzlich und klopft mit seinem Schnabel an die Scheibe. Anton erschrickt. „Wir brauchen deine Hilfe!“, flüstert eine zarte Mädchenstimme. „Wir tun dir nichts.“ Neugierig schlüpft Anton aus seinem Bett, schleicht zu seinem Zimmerfenster und öffnet es einen Spalt. „Du bist ja gar kein unheimliches Monster!“, sagt er erleichtert. „Du bist ein Uhu.“ „Eida-Uhu, mein Name“, krächzt sie und blickt neben sich. „Und das hier ist Linea.“ Anton traut seinen Augen nicht. Aus dem Schatten des Uhus tritt eine kleine Elfe hervor. Sie ist gerade mal so groß wie seine Hand, aber wunderschön. Sie trägt ein leuchtend weißes Kleid, das im Mondlicht silbrig schimmert. Und auf dem Köpfchen sitzt wie ein Hut ein rosa Moosglöckchen, aus dem dunkle lockige Haare hervorblitzen. „Du musst uns helfen!“, flüstert Linea mit engelsgleicher Stimme. „Der Garten-Kobold wurde gefangen genommen. Wir müssen ihn retten.“ Anton schüttelt den Kopf. „Was? Der Garten-Kobold ist weg? Wer hat ihn denn gefangen genommen?“ „Buoh, buoh“, ruft Eida-Uhu. „Das erklären wir dir unterwegs.“
Bevor Anton etwas sagen kann, klettert Linea auf seine Hand und träufelt ein paar blauleuchtende Tropfen auf seine Haut. Antons Körper beginnt plötzlich auf die Größe der kleinen Elfe zu schrumpfen. Fassungslos starrt er an sich hinunter. „Das ist ja obercool“, ruft er mit glänzenden Augen. „Diese Tropfen brauche ich auch.“ Anton sitzt hinter Linea auf dem Rücken von Eida-Uhu. Lautlos gleiten sie durch die warme Sommernacht. Der Garten-Kobold sitzt gefangen in einem kleinen Vogelkäfig in einem der vielen Schrebergärten und blickt wütend in die dunkle Nacht. Zwei schwarze schnurrende Katzen bewachen ihn. Aus sicherer Entfernung beobachten Eida-Uhu, Linea und Anton die Lage. Anton, der mittlerweile durch zwei gelbe Tropfen wieder seine normale Größe zurückgewonnen hat, schleicht auf Zehenspitzen in Richtung des Käfigs. Die Katzen fauchen, als sie ihn sehen, doch Anton ist vorbereitet. Er hat eine Handvoll schmackhafter Leckereien in seiner Hosentasche, auf die sich die beiden Kätzchen gierig stürzen. „Ach sieh mal an wen wir hier haben!“, sagt der Garten-Kobold. „Du bist doch der neugierige Junge, den ich mit Hilfe meines Glitzer-Staubes weggepustet habe.“ Anton nickt und öffnet leise das Schloss des Käfigs. „Ja, das war nicht besonders nett von dir. Du kannst froh sein, dass Eida-Uhu und Linea mich geholt haben, damit ich dich hieraus befreien kann.“
„Danke“, murmelt der Kobold widerwillig und hüpft unbemerkt an den Katzen vorbei in das hohe Gras. „Komm!“, ruft er Anton leise zu. „Zum Dank lade ich dich in den Zaubergarten ein.“ Antons Augen leuchten und er folgt dem Garten-Kobold durch die verwilderte Hecke.